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Schiff

Die Geschichte des Gasthauses Schiff wird ausführlich im Heft 8 der Immenstaader Heimatblätter behandelt.

Einen guten Einblick über des Leben im Schiff ab Anfang 20. Jahrhundert gibt der unten stehende Artikel aus Heft 8 “Schiffwirts Anne verzellt”.

 

Bericht im SÜDKURIER vom 10. November 2019 über den geplanten Abriss des Gasthofes Schiff

Bild SK vom 10.11.2019 Gerhard Plessing

Bild SÜDKURIER vom 10.11.2019, Gerhard Plessing

 

Schiffwirts Anne verzellt

Anna Hertkorn 1897 - 1982

Anna Hertkorn 1897 - 1982

Am 13. August 1897 bin ich in Immenstaad geboren. Daran kann ich mich zwar nicht erinnern, doch ist damit folgende nette Geschichte verbunden: Mein Bruder Karl, damals 12 Jahre alt, und meine Schwester Pauline, 10-jährig, wurden in den Helmsdorf zum Bierholen geschickt. Hinter sich zogen sie einen Leiterwagen; und da ihnen der Weg wohl zu lang und außerdem die Hitze zu drückend wurde, sagte „Lina“ zu Karl: „Warum mommr denn iberhaubt e Bier hole, mer hond doch no gnueg im Kär?“ Darauf sagte Karl: „Woeschd denn du it, daß mer e Kind grieget, me will is us em hus hol“ So begann es also, doch muss ich noch in die Zeit meiner Eltern und Großeltern zurückgreifen. Meine Eltern kommen von Vaters Seite her (Sailer) von Bächen (2 km östl. Weildorf, Bodenseekreis) - vum Daal hinde fire - nachdem der Anton Sailer (mein Großvater) die verwitwete Agathe Räuber, geb. Strobel, aus  Unterlottenweiler bei Ailingen geheiratet hatte. Der Ehevertrag ist auf nachfolgend abgebildet. In den Kirchenbüchern der Gemeinde Weildorf sind die Sailer bereits 1684 erwähnt und sollen, wie mir mein Vater erzählte, ursprünglich aus dem Wallis kommen. Soweit es mir möglich ist, möchte ich die Geschlechterfolge der Sailer kurz aufführen:

- Johann Sailer

- Georg Sailer

- Stefan Sailer geb. 23.03.1735 in Bechen, verh. mit Theresia Weberin

- Nikolaus Sailer geb. 28.08.1785 in Bechen, Oberbauer gest. 18.04.1864 in Bechen verh. 27.01.1817 mit M. Anna Spießmacherin

- Anton Sailer geb. 23.05.1821 in Bechen (4. von 9 Kindern) gest. 23.03.1900 in lmmenstaad verh. 29.07.1852 in lmmenstaad mit der verw. Agathe Rauber geb. Strobel, deren erster Mann Schiffwirt Konrad Rauber war.

~ Albert Sailer geb. 03.07.1856 in lmmenstaad gest. 22.11 .1914 in lmmenstaad verh. 14.05.1884 mit Pauline Heger in lmmenstaad

Ehevertrag Konrad Rauber Agatha Strobel

Ehevertrag von Konrad Rauber und Agatha Strobel

An den Großvater kann ich mich noch erinnern. Er war ein großer, magerer Mann, hatte immer ein rundes, besticktes Käpple auf dem Kopf. Ich durfte oft in der alten Stube am Ofen auf seinen Knien sitzen. Wenn ich mich auf die Bank stellte, konnte ich auch das Bild von der Seegfrörne von 1830 genau anschauen (siehe in den Heimatblättern, Heft 3, S. 45; Bild jetzt im Eigentum meines Neffen Kurt Sailer). Da ist auch der Schopf drauf, in dem mein Großvater Anton Sailer den Gips lagerte, den man damals als Dünger auf die Wiesen und Felder streute. Auf einer seiner Wiesen stand groß zu lesen: „hier ist gegipst“. Das die Schrift umgebende Gras der Wiese war ganz deutlich niederer.

Pauline Heger

Pauline Heger

Mein Neffe Kurt Sailer hat noch 2 Haushaltbücher aus jenen Tagen, die aufzeigen, wo Großvater den Gips her bezog, bzw. an wen er lieferte. In diesem Zusammenhang ist mir der Name Benjamin Franklin gut in Erinnerung. Möglicherweise hat es etwas mit Amerika zu tun, von wo man wahrscheinlich über Erfahrungen mit Düngemitteln hörte.

Meine Mutter entstammt dem Geschlecht der Heger, das in Immenstaad weit zurückreicht. Der Bruder meiner Mutter (Adolf Heger) hat die Geschlechterlisten der Heger in den 30-er Jahren zusammengestellt.

Geschlechterfolge der Heger (soweit bekannt):

Hoeger(Heger) Jakob ist der älteste, mir bekannte Heger. Aktuell für meine Heger-Vorfahren in Immenstaad wird es mit Heger Gebhardus, geb. 18.11.1755 in Immenstaad, der sich mit Rebstein Maria Josepha verheiratete. Gebhardus war Landwirt und Rebmann. Aus dieser Verbindung sind nachweislich 2 Söhne hervorgegangen.

Einer, Nepomuk Heger, †19.11.1856 in Kippenhausen, ist möglicherweise der Ahne der Kippenhauser Heger.

Der zweite Sohn war Anselm Heger, geb. 1785 in Immenstaad, †19. 11 . 1837 in Immenstaad. Dieser heiratete die Gerberstochter Creszentia Einhart, die allerdings in 1. Ehe mit einem Rauber verheiratet war. Ein Wolff Ainhart wird in einer Fischbacher Dotation von 1530 erwähnt.

Der Verbindung Heger-Einhart (verw. Rauber) entstammen wiederum 2 Söhne:

Heger, Gebhard (Ältere Linie) geb. 18.06.1819 in Immenstaad

Heger, Severin (Jüngere Linie) geb. 13.03.1825 in Immenstaad gest. 04.11.1912 in Immenstaad

Ich stamme aus der jüngeren Linie, also aus der Verbindung des Heger Severin mit Veronika Hafen, Gastwirtstochter, geb. 18.02.1828 in Kirchberg, †10.02.1892 in Immenstaad.

Severin war Landwirt und fahrender Bote zwischen Immenstaad und Friedrichshafen. Ich erinnere mich noch, dass er mich einmal mit seinem Wägele mit Rössle davor nach Friedrichshafen mitnahm. Wahrscheinlich, damit die Fahrt für mich nicht ganz nutzlos sei, musste ich für meine Mutter e Röllele wiesse Fade mitbringen. Da im Hafe gerade Markt war, brachte ich auch noch eine Guckel Magebrot mit, deren Inhalt erst zu Hause verteilt wurde. Soweit ich weiß, kommen die Hafen aus dem Raum Überlingen. Der Vater der Veronika Hafen, Sebastian Hafen, war Kämpfer in der Völkerschlacht bei Leipzig, später Hofmeister und Wirt im Schloss Kirchberg. So ab 1835 war er als Gastwirt im „Adler“ in Immenstaad. Daneben war er noch Metzger und Landwirt.

Aus der Ehe Heger-Hafen stammen 8 Kinder, 6 Buebe und 2 Mädlin (Max, Crescencia, Pauline, Leo, August, Adolf, Gebhard, Heinrich). Meine Mutter Pauline kam mit 8 Jahren von ihrer Heimat „is sattlers“ zu den Hafens in den Adler, zu Bäse Säns (Kreszenzia Hafen), die ledig war und mit ihren ebenfalls ledigen Geschwistern den Adler umtrieb. Da es „is Sattlers“, wie gesagt, viele Kinder waren, musste man frühzeitig anfangen, mitzuhelfen, damit ein Esser weniger am Tisch war. Meine Mutter ging vom „Adler“ aus in die Schule, zur Kirche und nur noch selten nach Hause. Mutter ist im „Adler“ aufgewachsen. Da Bäse Sänz ihre Taufpatin war, hat diese für das Patenkind Pauline später in jeder Weise nochmals gesorgt. Als sie Albert Sailer heiratete (Mai 1884), haben die Hafens sie komplett mit der Aussteuer versorgt. Dazu gehörte Bettwäsche für 24 Betten, Geschirr, Silberbesteck, Gläser, Hemden, Bettkittel, Hiible und 12 Stück unten offene Hosen, um die Knie mit Spitzen und Rüschen und in der Taille mit langen Bändern zu binden. Dass alles mit Monogramm bestickt war, war selbstverständlich. Die Bettwäsche war meistenteils Leinen aus selbstgesponnenem Garn. Von ihrer Patin stammt auch das noch bei mir befindliche Kreuz (Karavaccenkreuz). Es mag wohl zu einem Rosenkranz gehört haben; siehe die Abbildung.

Die restlichen Wäschestücke (Unterwäsche) haben meine Kinder in den 30-er Jahren in der Fasnet noch verwendet und dabei viel Spaß gehabt.

Von den Geschwistern meiner Mutter weiß ich, dass Max Güterbestätter war. Kreszenz hat „uff Burgermoeschders“ geheiratet. Sie soll 20 Jahre blind gewesen sein, da sie anlässlich einer Brautfueder-Fuhre, die durch die Riedgasse rollte, in einen Spiegel blickte, in den voll die Sonne schien. Leo hatte eine Schlosserei, August war Sattler (auf der Heimat), Adolf, zuletzt als Postmeister i. R. in Freiburg, ist 1941 gestorben.

Dann Gebhard (uffs „Mosers“) und Heinrich, Bäckermeister (is „Glasers“). Als meine Mutter ins „Schiff' kam, hatte sie es als junge Frau nicht leicht. Sie war zwar bereits 30 Jahre alt, aber „neu“, und oft sagte sie zu mir: „Ich bin keine Minute zu spät gekommen“.

Zu der Zeit waren noch folgende Familienangehörige im „Schiff“: Der Schwiegervater Anton Sailer († 1900), die Schwiegermutter Agathe Sailer, verw. Rauber, geb. Strobel († 1887). Sie saß immer in einem Sessel, da sie sich wegen Rheuma kaum mehr bewegen konnte (gehen konnte sie gar nicht mehr). Man musste sie an- und ausziehen, waschen, essen konnte sie noch alleine. Wenn sie dann zu ihrer Schwiegertochter sagte: „Pauli, do obe isch e Schbinn, wenn i so laufe kennt wie du, dänn dät i se abrhole,“ da mag es dann vollends um die Fassung meiner Mutter geschehen sein. Denn da war ja neben ihrem Ehemann auch noch der Richard Rauber (Stiefbruder ihres Mannes aus der 1. Ehe der Agathe Sailer), der zu der Zeit noch ledig war.

Der Bruder ihres Mannes, Hermann Sailer, war ledig und hatte das Heimatrecht. Außerdem hatte er eine Verwachsung (Buckel) und war nie sparsam. Auf entsprechende Vorhaltungen seiner Schwägerin konnte er sagen: ,Pauli, i wir sowieso it aald, es mueß, wenn ails zaahld isch, bloß no uen Pfännig ibrig bliebe, dees langed“.

Eine Schwester meines Vaters ist als Kind an einem Apfel erstickt.

Der Richard Rauber war Bäcker und mein Gedde. Die Bäckerei war hinten draußen, bevor man umbaute, jetzt Brennerei und Mosterei, da war der Backofen. Richard hat dann nach Hagnau geheiratet. Auf einem Wagen wurde seine Habe nach Hagnau gefahren.

Eines Nachts klopfte es im „Schiff“ an den Fensterladen. Mutter sagte zu ihrem Mann: „Albert, schdand uuf, de Richard isch widder dol“ Auf die Frage: „Jo, was widd denn du?“ soll Richard gesagt haben: „l kaas numme uushaalde vor Huemweh, i kumm wider huem.“ Anscheinend hat sich aber mit der Zeit das Heimweh doch gelegt. Noch zweimal ist Richard nach Hause gekommen und wie Mutter sagte, immer mit schwerem Herzen wieder nach Hagnau gegangen.

Adolf Heger

Adolf Heger

Zu all dem waren Wirtschaft und Landwirtschaft zu versorgen. Da nun unten am See kein Bäcker mehr war, hat der jüngste Bruder meiner Mutter (Heinrich) der auch Bäcker war, die Amalie Rauber geheiratet; in ihrem Lädele gab es für uns Kinder herrliche Sachen zu bewundern, viele bunte Guedsle in großen durchsichtigen Gläsern. In ihrem kleinen Schaufenster waren die Auslagebretter immer mit weißem Papier belegt und an deren Vorderseite weiße Papierspitzen angebracht. Zur Weihnachtszeit lagen da dann auch die Kloosemaane (oder Schwyzermaane). Tante Amelie war eine fröhliche Frau, die meistens aus ihrer Schürzentasche ein Guedsle für uns bereit hatte.

Die zweite Schwester meines Vaters, Anna Sailer, geb. 1854, hat sich später mit Gerichtsvollzieher Kräuter verheiratet. Von ihr habe ich ein Kochbuch aus der Kochschule Überlingen mit handgeschriebenen Rezepten.

Als junger Mann versuchte mein Vater bei der Seegfrörne 1880 mit einem Begleiter und mit einer Leiter versehen, den Bodensee zu überqueren. Die Beiden müssen aber nicht sehr weit gekommen sein, denn sie sind nach einigen Stunden wieder nach Hause gekommen und haben erzählt, daß sie an eine Rinne gekommen sind, die auch mit der Leiter nicht zu überbrücken war.

Landwirtschaftlichen Besitz hatten meine Eltern (auch Pachtfelder) im Herrenweiher (auch ein Hopfengarten)

Buchstor, (S)|cke|esho|z, Brendler, Seegaddel, Happenweiler Ösch, Häldele, Tiefenwiese, Pfoser, Hundsruck, Heiden, Wolfgang, Hochberg, - Reutenen,  Tannenwald im Hinteren Öschle, Wald bei Ziegelei Heger, Wald bei Schladbrunnen

Mein Jahrgang war der erste, der in die Kinderschule kam, ich war damals 4 Jahre alt. Die Kinderschule war im Rathaus in einem großen Zimmer mit kleinen Tischen und Bänken. An meinem Tisch war mir die liebste Schuhmacher's Anne, mit der ich über alle Jahrzehnte in Verbindung geblieben bin (Anna Rebstein).

Für die Kinderschule hatte ich die schönste Botanisiertrommel (Vesperbüchse). Sie bekam jedoch bald sehr viele Beulen, da ich auf dem Heimweg von der Schule diejenigen damit verhauen habe, die ich nicht leiden konnte. Deshalb bekam ich später einen Stoffbeutel, der nicht so viel Schaden anrichtete.

Als ich dann in die „Groß-Schul“ kam, war es schon nicht mehr so schön, da ich nicht gerne lernen wollte. Wenn mich der Lehrer etwas fragte, so musste ich immer nießen, denn ich hatte vorsorglich bereits einen Zipfel des Taschentuches in eines der Nasenlöcher gesteckt. Was fast auf Kommando einen Niesreiz auslöste. So sagte Lehrer Bansbach dann resigniert: „Schiffwirts Anne kann man nie was fragen, die niest immer“.

Da ich mir auch von den Buben in der Schule nichts gefallen ließ und jedem sofort eine runterhaute, wurde ich allgemein „Schiffwirts Bue“ genannt. Meine Freundin und ich wussten immer, wo die besten Biren zu finden waren. Einmal hat uns jedoch der Bauer erwischt, der auch den Lehrer und die Eltern unterrichtete. Daheim bekamen wir Prügel, was aber nicht sehr schlimm war. ln der Schule allerdings wurden wir vor der ganzen Klasse ausgeschimpft und mussten als Strafe 50 Mal schreiben: „Du sollst nicht stehlen“.

Klassen 5 bis 8 mit Lehrer Bansbach und Anna Sailer 1910 red

Klassen 5 bis 8 mit Lehrer Bansbach und Anna Sailer 1910

Trotzdem habe ich die Schule gut hinter mich gebracht. Die Unterrichtsstunden waren Deutsch, Rechnen, Memorieren (auswendig lernen), Religion, Schönschreiben; am liebsten hatte ich jedoch das Realienbuch (Heimat-Welt-Entwicklung), das meine Phantasie stark beschäftigte. Ich besuchte auch die Strickschule sowie die Fortbildungsschule. Das 4. Schuljahr musste ich allerdings zweimal machen, da ich von Juli bis zum anderen Frühjahr krank war. Ich hatte eine Gelbsucht und Geschwüre in den Gedärmen. Niemand glaubte, dass ich wieder gesund werden würde.

Aus der Zeit sind mir heiße Kamillensäckchen als Auflage auf den Leib in bester Erinnerung. Auch mit einem Schmalzlappe auf der Brust (heißes Schweinefett auf einen Leinen-Lappen gegossen, mit einem Wolltuch abgedeckt) hat man probiert.

Manchmal hat mir meine Mutter ein Pfiesle (Pfitzauf) gemacht, von dem sie glaubte, dass es mir Kraft gäbe.

Als junges Mädchen musste ich auch in den Reben helfen beim Bänder schneiden und hacken. Da der Besitz meiner Eltern umfangreich war und deshalb auch mit sehr viel Arbeit, nichts als Arbeit, verbunden, holte Vater jedes Jahr auf Lichtmeß oder Josefe in Friedrichshafen einen „Huetebue“, die damals zu Hunderten aus dem Montafon, aus dem Vinschgau oder aus dem Bregenzer Wald kamen, um sich bei den Bauern im Schwabenland zu verdingen. Man nannte sie deshalb auch die „Schwabenkinder“. Unser Bue war aus dem Bregenzer Wald, und er hat es bei uns gut gehabt. Für die Zeit bis Martini bekam er Unterkunft und Verpflegung, s'Häß (Anzug und Schuhe) sowie 50 Mark.

Wenn es dann Winter wurde und man draußen nichts arbeiten konnte, kamen die „Württemberger“ zu uns zur Hostubete. Es waren dies meist unsere Verwandten aus Jettenhausen, Unterraderach, Oberraderach und Heiseloch.

lm November 1905 richtete der Gemeinderat der Stadt Meersburg „An Großherzogliches Staatsministerium“, „An Hohe Erste Kammer der Landstände“, „An Hohe Zweite Kammer der Landstände“ die ergebenste Bitte der Stadt Meersburg um Erbauung einer Eisenbahn von Uhldingen nach Meersburg. Da die Linie Überlingen - Markdorf~ Friedrichshafen sowie die Nebenlinie Mimmenhausen - Frickingen fertiggestellt war, ersuchten die mitinteressierten Gemeinden um baldige Herstellung einer Bahnverbindung von Oberuhldingen nach Meersburg mit Immenstaad. Das Baubudget war für 1906/1907 wohl erschöpft, was rückblickend betrachtet auch sein Gutes hatte, sonst könnte man wohl jetzt auch „einen lmmenstaader Bahnhof“ günstig kaufen. Für die Gemeinde Immenstaad hat neben Bürgermeister Langenstein mit 7 Gemeinderäten auch mein Vater Albert Sailer unterschrieben. Heute erst verstehe ich meine Mutter, wenn sie Vater, der zur Gemeinderatssitzung ging, nachrief: „Kumm au bald wieder huem, ir richded jo doch nix uusl“

Von Vaters Zeit bei der Immenstaader Feuerwehr her fand ich noch einen Übungsplan für das Jahr 1893; siehe die Abbildung.

Zweimal in der Woche kamen die Ärzte Müller und Zimmermann von Meersburg nach Immenstaad. Bei uns im „Schiff“ wurden dann die Sprechstunden abgehalten. Die Medizin kam von der Hofapotheke in Meersburg, wohin Vater mit dem Berner Wägele fuhr zum Abholen.

Eine Höhepunkt in meiner Jugend war auch, wenn Hochw. Herr Pfarrer Bleyer aus Fischbach zu uns kam, wo er sich regelmäßig mit seinem Immenstaader Amtsbruder am alten Ofentisch traf. ich glaube, dass er irgendwie mit den „Heger“ verwandt war, denn auf dem Meersburger Friedhof ist die Grabstelle von Kronenwirt Bleyer von Schnetzenhausen (wohl der Vater von H. Pfr. Bleyer), und eine Heger aus der „Älteren Linie“, unsere unvergessene Tante Emma Schorpp, geb. Heger, war später auf der „Krone“ in Schnetzenhausen. Jedenfalls rief Pfr. Bleyer manchmal nach meiner Mutter und sagte: „Pauline, no e Virdele.“ Wenn er dann in unnachahmlicher Weise das Glas mit dem Wein schwenkte, kam ich mir vor wie in der Kirche. Sein Ausspruch blieb noch lange in meiner Familie bei geselligen Anlässen. Später spielten meine Kinder „Pfarrer Bleyer“, indem sie einen gläsernen Kelch, mit Wasser gefüllt, andächtig schwenkten. Ich habe sie gewähren lassen, denn selten habe ich sie dabei so mit lnbrunst „Schutzengele mein“ oder „O Gott, Du hast in dieser Nacht“ beten sehen und hören.

Das Grab von Herrn Pfr. Bleyer ist in Fischbach links von der Kriegergedächtniskapelle.

Fast jeden Sommer kam Herr Luschka nach Immenstaad, er war Apotheker und wohnte in München; ihm hat eine zeitlang das frühere Haus Hettich gehört, später Privatier Frick. Meine Eltern sind einige Male in München bei Luschka gewesen. Von einer dieser Reisen brachten sie eine Zuckerdose mit nach Hause, die sie von Luschka geschenkt bekamen (siehe die Abbildung).

In späteren Jahren hat sich bei meinem Vater ein Hüftleiden entwickelt, das ihm große Schmerzen verursachte. Er ging deshalb fast jedes Jahr ins Bad Ragaz in der Schweiz und nahm auch meine Mutter mit, was damals eine Seltenheit war für die einfacheren Bürger. Das Leiden verschlimmerte sich so sehr, dass Vaters Fuß 7 cm kürzer wurde und er immer orthopädische Schuhe tragen musste.

1908 durfte ich mit meinem Vater den Aufstieg des Zeppelin LZ 4 in Manzell sehen, der im August 1908 in Echterdingen verbrannte.

Aufstieg LZ 4 1908 Manzell

Aufstieg des LZ 4 1908 in Manzell

 

Fröhliche Zeiten gabs im Elternhaus vor allem während der Fasnet. Ich ging zum maschgere und habe viel Unsinn getrieben.

Bei den Kaffeekränzle im „Schiff“ ging es immer hoch her. Oft habe ich so gjuzged, dass ich keinen Ton mehr herausbrachte und getanzt wie de Lumbe am Schdäegge.

Mutter hat Fasnetküchle gebacken, „durchs Loch“ oder „übers Knie“, wie man sagte. Die ersteren werden aus nicht zu zähflüssigen Pfannkuchenteig zubereitet.

Man lässt den Teig durch einen Trichter ins heiße Fett rinnen. Das ergibt dann lustige Figuren und Bolle, die wenn goldbraun, in Zucker gewälzt, sehr gut schmeckten.

Die „übers Knie“ sind aus einem geschmeidigen Hefeteig, der ca. 1/2 fingerdick, in Vier- oder Rechtecke geschnitten, dann übers Knie gezogen, ebenfalls im heißen Fett gebacken wird.

Mein Bruder Karl hat sich 1911 mit Josefa Langenstein verheiratet; er hat die Heimat übernommen. Vor dem 1. Weltkrieg musste er ins Manöver nach Hammelburg/ Saale, wo ihm während einer Übung das Pferd scheute und ihn mit dem Huf am Kopf traf.Karl war einige Zeit bewusstlos, auch noch im Lazarett. Er kam nach Hause, klagte aber von da ab über dauernde Kopfschmerzen. Ostern 1914 starb er und hinterließ seine Frau mit den Kindern Kurt und Rosa.

Im November des gleichen Jahres starb auch mein Vater am Schlag. Später hat sich meine Schwägerin Josefa (Sefe) mit August Litz wiederverheiratet; über 3 Jahrzehnte haben sie dann zusammen den guten Ruf des Hauses erhalten und gemehrt. Fine, die Tochter aus dieser Ehe, lebt heute mit ihrem Mann und Familie in Karlsruhe.

Als ich 13 Jahre alt war, kam ich nach Freiburg in Stellung zum Erlernen des Haushalts. Ich litt sehr unter Heimweh (fremd sein ist Elend). Meine Herrschaft war sehr vornehm, hatte keine Kinder, aber ich musste viel arbeiten, denn die Frau hatte den Putzteufel. Da aber viele Einladungen gegeben wurden, musste wohl immer alles sauber sein. Solange ich in Freiburg im Dienst war, habe ich aber bei meiner Schwester Pauline gewohnt, die damals bereits mit Eugen Deutsch verheiratet war.

Meine Schwester Frieda heiratete Ernst Haas von Kirchberg, dessen Vater dort Verwalter war. Die Mutter stand Haus und Küche vor. Von ihr bekamen wir das Rezept der „Kirchberger Süßspeise“ überliefert, die in meiner Familie bei allen Festlichkeiten und an Feiertagen bis heute als Dessert aufgetischt wird.

Hier möchte ich noch erwähnen, dass dieses Rezept in ein internationales Kochbuch aufgenommen wurde. Dieses Kochbuch ging vor ca. 20 Jahren auch an das Weiße Haus in Washington und an verschiedene Regierungen der westlichen Allianz. Von den amerikanischen Freunden meiner Tochter wissen wir, dass die „Kirchberger Süßspeise“ ein fester Bestandteil nahezu jeden Diners bei ihnen geworden ist.

 

Kirchberger Süßspeise

1 ltr. Milch, 3 Esslöffel Zucker ~ 1/2 P. Vanille-Zucker ~ 7 Anisschnitten - ca. 6-8 Esslöffel Johannisbeermarmelade - 2 Eier - ca. 35 gr Gustin oder Mondamin (Stärkemehl).

Die Milch mit dem Zucker zum Kochen bringen, dann vom Feuer nehmen und Vanillezucker hineinstreuen. Inzwischen Gustin und Eigelb mit ca. 2 Esslöffeln kalter Milch glatt rühren, dieses langsam in die heiße Milch geben und das Ganze kurz aufkochen lassen. Dabei immer rühren, damit es keine Klumpen gibt, und vom Feuer nehmen. Das Eiweiß zu Schnee schlagen und langsam unter die Masse ziehen. Die Anisschnitten in lange, fingerdicke Streifen schneiden und nun in eine Schüssel wie folgt einfüllen: Eine Lage Anisschnitten mit Johannisbeer-Marmelade bestreichen, darüber einen Schöpflöffel Vanillecreme gießen, dann wieder Anisschnitten mit Marmelade usw., bis alles aufgebraucht ist.

Kalt stellen und vor dem Servieren mit 1/8 ltr geschlagener süßer Sahne verzieren.

 

Ab 1915 war ich dann im Hotel „Terminus“ in Konstanz am Buffet. Von dort wechselte ich nach Ulm in den „Saalbau“, der damals eines der besten Häuser für Konzerte und Festlichkeiten in Ulm war. Dort lernte ich kochen, musste aber wegen einer Blinddarmoperation nachher wieder nach Immenstaad zurück. Da ich nicht schwer arbeiten konnte in der Zeit danach, bin ich „is Mosers“ gewesen, wo ich mich wie zu Hause fühlte und mich von der schweren Krankheit erholen konnte.

1916 kam ich dann auf das Lohnbüro im Flugzeugbau Manzell. Jeden Morgen um 6 Uhr fuhr ein Kiesschiff von Immenstaad nach Manzell. Das Schiff hatte eine Verkleidung aus Holz und ein Dach darüber, das Ganze mit Bänken versehen, und so fuhr man jeden Tag hin und her. Es waren immer so 30-40 Personen. Die wenigsten waren Immenstaader, sondern es waren „Loschieherren“ (Zimmerherren). Da wurde bereits am frühen Morgen gesungen und gelacht, es wurden auch Witze erzählt, die heute vergleichsweise harmlos anmuten würden. Zu dieser Zeit war in Immenstaad was los. Das Gasthaus zum „Schiff“ wurde im Volksmund umbenannt in „Württemberger Hof“.

Jeden Abend kamen die Leute vom Luftschiffbau und Flugzeugbau, vor allem zum Pfannkuchen essen, denn meine Mutter, assistiert von der Schwiegertochter Sefe, hat die besten Pfannkuchen gebacken. Dazu gab es „Epfelmus“ oder Bodäbirräsalod, oder beides, was auch gut schmeckt. Von meiner Mutter lernte ich auch aus „meh wi nix“ eine gute Suppe kochen, was mir später bei meiner eigenen großen Familie sehr zustatten kam. Auch meine Schwestern Pauline und Frieda waren dank Mutters strenger Schule ausgezeichnete Köchinnen.

Natürlich hatte ich zu dieser Zeit die ersten Jugendliebschaften und Schwärmereien hinter mir. Beim Flugzeugbau, im Lohnbüro, lernte ich meinen späteren Mann, Ottmar Hertkorn, kennen. Er war gerade von einer schweren Verwundung mit anschließendem Lazarettaufenthalt in Bad Ems genesen und fand in der damals noch jungen Industrie Arbeit.

Serviermädchen vom Schiff auf Ufermauer 1929 red

Serviermädchen vom Schiff auf der Ufermauer 1929

 

Unser Kennenlernen war nicht ohne Schwierigkeiten, denn er war Württemberger und im damaligen Stadtteil Hofen (Friedrichshafen) geboren. Eines Abends verabredeten wir uns in Immenstaad. Er wollte mit dem Fahrrad kommen, das zu der Zeit (1917) ohne Decken~ und Schlauchbereifung war. Auf den Felgen waren SpiraIfedern befestigt, was schon von weitem zu hören war. Eine Karbid-Funzel an der Lenkstange vervollständigte die „technische Ausrüstung“.

Einige Männer vom Dorf, die es nicht dulden wollten, dass ein Fremder ins Dorf zu einem Mädchen geht, haben ihm am Bierkeller beim Helmsdorf aufgelauert und recht ordentlich den Grind verhauen. Da er gegen die Übermacht nicht aufkommen konnte, sich aber auch nicht abschrecken ließ, weiter um mich zu werben, habe ich mich für ihn entschieden. Den damaligen Vorstellungen von ehelicher Verbundenheit gemäß war er der, der die Hosen anhatte; ich „war ihm untertan“, wie es in der Bibel steht.

Unsere Verlobung fand in Immenstaad im „Schiff“ statt. Da es bei den Immenstaadern bei solchen Anlässen immer hoch hergeht, selbst im 3. Kriegsjahr, hat man ein Kalb geschlachtet. Die Festivitäten waren bereits im Gange, als mir mein Bräutigam gestand, dass er bis zu dieser Stunde noch nie Wein getrunken habe; er sei nur Milch gewohnt. Zur Feier des Tages musste er doch mit den Gästen, Angehörigen und mir anstoßen, was zunächst reibungslos vonstatten ging. Beim zweiten Viertele sind meinem „Otti“, wie ich ihn damals nannte, die Sinne geschwunden, und wir mussten ihn „uӿe uffs Bed lege“. lm Laufe seines Lebens hat er nie viel getrunken, er hat den Wein genossen.

lm August 1918 haben wir in Immenstaad geheiratet. Die kirchliche Trauung fand in Beuron statt. Einige Tage vorher hat uns Ludwig Flemisch vom Helmsdorf „s Brudfueder“ gefahren, das wir in Buch bei Meckenbeuren abholen mussten. Wir fuhren also bei strömendem Regen mit dem „Bruggewage“, dem zwei weiße Schimmel vorgespannt waren, los. Der Wagen war mit einer Plane abgedeckt, und mein Neffe Kurt erinnert sich, dass er, 6-jährig, mitfahren und unter der Plane hugge durfte. Auf dem Rückweg hat man dann in Friedrichshafen im „Buchhorner Hof“ Station gemacht und kräftig gevespert.

Da - wie gesagt - unsere kirchliche Trauung in Beuron stattfand, gingen wir am 20.8. zu Fuß nach Kluftern zum Bahnhof. Wir hatten einen schweren Koffer, den ich zunächst bis zum Klufterner Wegweiser getragen habe. Ich erinnerte mich jedoch noch rechtzeitig des Schwures am Altar: „Einer trage des Anderen Last“, worauf wir uns dann beim Tragen abwechselten. Das ist auch so geblieben unser Leben lang.

Unsere erste Wohnung war „is Einharts Hiesle“, gegenüber vom „Hirschen“. Dort hatten wir 2 Zimmer.

lm Dezember 1918 sind wir aber dann nach Manzell umgezogen, um näher beim Arbeitsplatz zu sein.

Jetzt ist mein Neffe Kurt Sailer auf der Heimat. Sein ganzes Leben ist geprägt von der Aufgabe der Erhaltung des Überkommenen.

Treu zur Seite stand ihm von 1946 bis zu ihrem Tode 1974 seine Frau Maria geb. König, Tochter von Gottfried König. Gemeinsam mit seiner jetzigen Frau Gerda, geb. Fundinger, führt er die Tradition des Hauses in altbewährter Weise fort.

Erzählt von Anna Hertkorn geb. Sailer (1897- 1982), niedergeschrieben von ihrer Tochter Elfriede Hiller

 

1900_Gasthof Schiff_Seestrasse West0003

Vor dem Schiff in Immenstaad um 1900 (Anbau fehlt noch)

Von links nach rechts: Anna Sailer (die Erzählerin), Pauline Sailer, geb Heger, Schiffwirtin, ihre Mutter

Frieda Sailer (Tochter), Karl Sailer (Sohn), Paulina Sailer (Tochter), Albert Sailer (Schiffwirt)

 

1961 Immenstaad Landesteg Gasthof Schiff Schlauchboot Michael Hoffmann Rheinböllen

Blick vom Garten des Gasthofs Schiff  auf den Landesteg 1961 (Bild: Michael Hoffmann, Rheinböllen)

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