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Umgehungsstraße 1957

Die erste Umgehungsstraße am Bodensee wurde 1957 in Immenstaad eröffnet

An Ostern 1957 wurde die Immenstaader Umgehung der Bundesstraße 31 eröffnet; Ostersonntag war damals am 21. April. Es war eine der ersten am Bodensee. Damit fand ein jahrelanger, unerträglicher Zustand ein Ende, der durch die rasche Zunahme des Autoverkehrs nach dem Krieg entstanden war.

Immenstaad um 1900

Immenstaad um 1900

 

In den Akten des Gemeindearchivs findet sich ein Brief von 1952, in dem es heißt: „Die Ortsdurchfahrt durch Immenstaad dürfte mit ihren verschiedenen Gefahrenpunkten wohl die schlechteste in der weiteren Umgebung sein. …Wir wurden tatsächlich als Grenzort [gemeint ist: zu Württemberg!] immer stiefmütterlich behandelt.  ... stellt man immer wieder fest, daß die Straßen überall besser sind wie gerade am Bodensee“.

Nun führte ja die Landstraße am See als öffentliche Straße des Reichs seit jeher von Meersburg über Hagnau durch die heutige Hauptstraße in Immenstaad nach Fischbach und Buchhorn (Friedrichshafen), und die Gemeinden waren verpflichtet, sie in Ordnung zu halten, bis später das deutsche Reich Bau- und Unterhaltspflicht übernahm.

Planung

Schon vor dem Krieg war eine Umgehungsstraße geplant, und um 1950 nahm das Straßen- und Wasserbauamt Konstanz die Planung wieder auf und erstellte im Frühjahr 1954 einen Vorentwurf, der im September im Gemeinderat durchgesprochen wurde. Die Pläne wurden vor der Bürgerversammlung am 21. Januar 1955 ausgehängt.

Das Straßenbauamt stellte 3 Varianten vor:

  • Ausbau der bestehenden Straße im Dorf; dazu sollten 18 Wohnhäuser abgebrochen werden (damals eine Horrorvorstellung; inzwischen sind entlang der Straße allerdings über 20 Häuser abgerissen worden)
  • Eine ortsnahe Umgehung, etwa  da, wo sich heute die Schulstraße befindet, und nördlich des Friedhofs an der Kirche
  • Die Linie der heutigen Umgehung.

Die Diskussion nahm eine eindeutige Richtung. Zunächst sprachen sich Bürgermeister Wiedmaier und vor allem Hans Meichle eindeutig und engagiert für die ortsferne Lösung aus. Dann kamen von den damals um 90 (!) Bauern die ersten Fragen zur Landabtretung, Entschädigungen und vor allem zur Querung der neuen Straße.  Da sich die Behörden den Über- oder Unterführungen nicht allzu abgeneigt zeigten, war die Stimmung allgemein für die nördliche Lösung - aus heutiger Sicht ein Glücksfall. Bei 325 Anwesenden (von ca. 1750 Einwohnern) endete die Sitzung schon nach zweieinhalb Stunden - heutzutage unvorstellbar!

Immenstaad um 1958 mit neuer Umgehung Archiv Heimatverein

Immenstaad um 1958 mit neuer Umgehung

 

Wie der Bericht im Südkurier danach zeigt, waren die Bauern jedoch „in ihrer großen Mehrheit gegen diesen Plan“, ohne sich jedoch in der Versammlung deutlich zu äußern. „Mit um so explosiverer Wirkung kam dies … anderntags zum Ausdruck.“  Der Verlust von 7,5 ha auf insgesamt 141 Flurstücken  von  53 Besitzern schien schwer und schmerzlich, zumal - so wurde argumentiert - man zum Bau des Seewerks 1943 schon um 20 ha hatte abgeben müssen. So agitierte der Verfasser des Zeitungsartikels massiv im Sinne der Landwirte. Doch waren alle Einwände erfolglos. Im Regierungspräsidium Freiburg fand der Plan „Anklang … weil es sich um eine Umgehung handelt, die jederzeit später noch ausgebaut und verbreitert werden kann [welche Töne, schon 1955!] und zudem die bauliche Entwicklung von Immenstaad in keiner Weise hindert.“

Grunderwerb

Die Verhandlungen über die Grundstücksabgabe und die Obstbäume nehmen dann auch den Hauptteil der Akten ein.  Im Mai fanden die ersten Grunderwerbsverhandlungen statt. Es wurden 2 bis 4 DM pro qm bezahlt, wenn auch einige versuchten, 10 DM zu bekommen; zusätzlich kamen „Mehrwegsentschädigung“ und Wertminderung der Grundstücke. Das Straßenbauamt argumentierte: nur 1,6% der landwirtschaftlichen Fläche Immenstaads ist betroffen, kein Eigentümer verliert mehr als 4% seiner gesamten Nutzfläche. Die Entschädigung für die Obstanlagen war wohl großzügig, denn alle waren einverstanden (!).

Planfeststellung und Baubeginn

Die Bauarbeiten von der Lippach bis Helmsdorf waren schon begonnen, das Planfeststellungsverfahren für die Umgehung wurde eingeleitet und im August 1955 fing man den Bau an, noch bevor der Grunderwerb geregelt war.

Durch ein Unwetter am 20. Juli 1955 wurde das Einlaufbauwerk des Kobenbachs an der (alten) Bundesstraße, d.h. die Meersburger Straße, unterspült und stürzte ein; die Straße wurde überschwemmt.

Im September lagen die Baupläne aus, und es fand eine Besprechung mit dem Straßenbauamt im Rathaus statt, bei der neben dem Bürgermeister Eugen Wiedmaier auch der Beigeordnete Stefan Lehle und die Gemeinderäte Josef Mohr, Eugen Langenstein und Hermann Veeser teilnahmen. Dabei ging es vor allem um die östliche Brücke und die Zufahrten zu den künftig abgeschnittenen Grundstücken, nämlich die bisherigen beiden Feldwege zum Kobenbach, sowie den „alten Kirchweg“, den Weg zum Herrenweiher und am Seegaddel. Die besonders betroffenen 5 Grundstücksbesitzer am oberen Frickenwäsele wehrten sich heftig gegen die Abschneidung von ihren nordwestlich gelegenen Grundstücksteilen. Die Anhörung zu den Einsprüchen fand am 28. November 1955 statt. Dabei wurde auch die Eindolung des Seegaddelgrabens südlich der Bundesstraße und die Zufahrt zur B31 östlich neben der östlichen Brücke festgelegt (wegen Verkehrsgefährdung viele Jahre später geschlossen).

Der Plan wurde nach Zurückweisung der verbliebenen Einsprüche im Juni 1956 festgestellt; zu Gerichtsverfahren kam es nicht. In den Jahrzehnten danach entstanden zwischen Kirchberg und der Lippach 4 neue Unterführungen.

Im Sommer 1956 wurde der Bach in der Bachstraße eingedolt; der Kobenbach im Ort entlang der Meersburger Straße und der Frickenwäselebach waren bereits früher unter der Erde verschwunden; da das Straßenbauamt jeden Zusammenhang mit der Umgehung zurückwies, hatte die Gemeinde die Kosten selbst zu tragen.

Immenstaad um 1960 Tankstelle mit Isetta beim Autohaus Martin Archiv Heimatverein Immenstaad

Immenstaad um 1960; Tankstelle und Autohaus Martin mit Isetta

 

Fertigstellung

Bald danach begann auch der Grunderwerb für den Abschnitt Immenstaad-Kirchberg der Straße und das Planfeststellungsverfahren dafür. Es ging noch reibungsloser vonstatten. Am 9. April 1957 war dieses Teilstück bereits befahrbar.

Und 2 Wochen später, am 12. April, wurde auch die eigentliche Umgehung eröffnet. Der Südkurier schrieb dazu: „Die Autofahrer atmen auf … Es wurde eine in jeder Beziehung schöne Straße geschaffen. … Die neue Straße … läßt Immenstaad zu einer Oase der Ruhe werden.“

Die Firma Kirchhoff hatte nach diesem Zeitungsbericht auf 3,4 km   65000 cbm Erde bewegt. Es blieben noch zu regeln: die Schäden durch Baumaschinen und Bauverkehr an Straßen, Wasserleitungen und Gräben, erschwerte Zufahrten zu einzelnen Grundstücken und ähnliches, die Zufahrt zur Firma Dornier; um die Hinweisschilder an den Ortseingängen entstand ein längerer Streit. Zum 1. April wurde die Ortsdurchfahrt in eine Gemeindestraße „abgestuft“.

Würdigung

Die 2 km lange Umgehung war nach nur je 2 Jahren Planungs- und Bauzeit fertig geworden - wer kann sich das heute noch vorstellen? Es war eine weitsichtige Maßnahme, mit der sich bald auch die verbleibenden hiesigen Landwirte befreunden konnten: der Durchfahrtsverkehr durch den Ort ging fast auf Null zurück, der Fremdenverkehr nahm zu und der Wert der Grundstücke stieg, denn die Zuwanderung und die Bautätigkeit ließ die Einwohnerzahl in den nächsten Jahren stark steigen.

 

Wolfgang Trogus

 

Link zum Bericht im Südkurier: Der zähe Weg zur Ortsumgehung von Gisela Keller vom 3. Mai 2017

 

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